10 Thesen zum säkularen Dharma

Pflanzensprossen

Von Stephen Batchelor

STEPHEN BATCHELOR, ehemaliger Mönch und bekannter Autor. Er ist Vordenker des säkularen Buddhismus, einer zeitgemäßen Perspektive auf Buddhas Lehre, den Dharma. Er ist Mitbegründer des Bodhi College und lehrt weltweit.

Was heisst es, den Weg des säkularen Dharma zu gehen?

 

Mit seinen 10 Thesen versucht Stephen Batchelor* die Essenz dessen darzustellen, was es für das Leben heisst, den säkularen Weg des Dharma zu beschreiten.

 

10 Thesen

1. Ein säkularer Buddhist oder eine säkulare Buddhistin ist je­mand, der oder die sich in der Praxis des Dharma allein dem Wohl dieser Welt verpflichtet fühlt.

2. Die Praxis des Dharma umfasst vier Aufgaben: das Leiden umarmen, Reaktivität loslassen, das Aufhören der Reakti­vität betrachten und einen ganzheitlichen Lebensweg kul­tivieren.

3. Alle Menschen, ungeachtet ihres Geschlechts, ihrer Rasse, sexuellen Orientierung, ihrer Behinderungen, ihrer Nationalität und ihrer Religion, können diese vier Aufgaben prak­tizieren. Jede Person hat, in jedem Moment, das Potential, wacher, empfänglicher und freier zu sein.

4. In der Dharmapraxis kümmert man sich gleichermaßen dar­um, wie man im öffentlichen Raum spricht und handelt, wie darum, den spirituellen Übungen im privaten nachzugehen.

5. Der Dharma dient den Bedürfnissen der Menschen zu be­stimmten Zeiten und an bestimmten Orten. Jede Form, die der Dharma annimmt, ist eine vergängliche menschliche Schöpfung, abhängig von den historischen, kulturellen, so­zialen und ökonomischen Bedingungen, die ihn hervorge­bracht haben.

6. Der oder die Praktizierende ehrt die Lehren des Dharma, wie sie von den verschiedenen Traditionen überliefert wor­den sind, versucht aber gleichzeitig, sie kreativ und stimmig für die Welt, wie sie jetzt ist, umzusetzen.

7. Die Gemeinschaft der Praktizierenden wird von autonomen Individuen gebildet, die sich gegenseitig bei der Kultivie­rung ihres Pfades unterstützen. In diesem Netzwerk gleich­ gesinnter Individuen respektieren die Mitglieder die Gleich­heit aller und erkennen gleichzeitig das spezifische Wissen und die Expertise an, die jede Person mitbringt.

8. Praktizierende verschreiben sich einer Ethik der Sorgfalt und Fürsorge, gegründet auf Empathie, Mitgefühl und Lie­be für alle Wesen, die sich auf dieser Erde entwickelt haben.

9. Praktizierende versuchen, die strukturelle Gewalt in Ge­sellschaften und Institutionen zu verstehen und zu mindern, ebenso wie die Wurzeln der Gewalt in sich selbst.

10. Praktizierende des Dharma streben danach, eine Kultur des Erwachens zu fördern, die in buddhistischen wie nicht-buddhistischen, religiösen und säkularen Quellen ihre Inspira­tion findet.

 

* Aus Stephen Batchelor, “Jenseits des Buddhismus”, S. 463

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